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Fasching 1956 - Erinnerungen einer Faschingsprinzessin

Seit Anfang der 1950er Jahre hatten die Kleingärtner angefangen jedes Jahr Fasching zu feiern. Im Februar 1956 organisierte die Gartensparte „Deutsche Reichsbahn“ gemeinsam mit den Eisenbahnern die erste große Faschingsveranstaltung nach dem Krieg in Adorf.

Es war noch keine gute Zeit und mangelte noch an vielem damals. Richard Lederer, der im Rathaus arbeitete oder viel im Rathaus zu tun hatte, hatte mich angesprochen, ob ich nicht bereit wäre mitzuwirken und die Faschingsprinzessin zu geben. Zunächst zögerte ich (war das was für mich?), meine Arbeitskollegin in der „Baumwolle“, mit der ich mich am Webstuhl darüber unterhielt, bestärkte mich jedoch. Also sagte ich zu, bestand jedoch darauf, dass mein Mann ebenfalls teilnehmen dürfe. Er wurde daraufhin Mitglied des Elferrates.
Mein Prinz war Heinz Penzel, der Lokführer war und dessen Tochter heute in Arnsgrün wohnt (Gerlinde Adler).

Weitere Mitwirkende waren Paul Schniegler, der Chef des Schützenhauses war, als Zeremonienmeister, die Garde (die aus einigen jungen Frauen bzw. Mädchen bestand), Gardesoldaten und der Elferrat. Die Garde wurde vom Kostümverleih Plauen eingekleidet. Für den Elferrat waren dunkle Anzüge Pflicht. Auch die Kleider des Prinzenpaares kamen vom Kostümverleih, allerdings war das Kleid dermaßen schlecht, dass ich mit den Organisatoren überein kam, dass ich mein Brautkleid tragen würde. (Mein Mann und ich hatten zwei Jahre zuvor geheiratet.)

Folgender Ablauf war vorgesehen:
Zeremonienmeister Paul Schniegler sollte mich in der Mehlthau, wo wir wohnten, abholen und mit der Kutsche zum Güterbahnhof bringen. Dort warteten der Prinz, der Elferrat und die anderen Mitwirkenden, mit denen wir gemeinsam in einen eigens bestellten Zug steigen sollten. Es kam jedoch anders, denn keiner hatte mir gesagt, dass ich abgeholt werden würde. Also packte ich mein Kleid und alles, was ich brauchte, in einen Koffer und machte mich rechtzeitig zu Fuß durch den Schwarzen Weg auf zum Güterbahnhof, d.h. zum Bahngebäude am Lokschuppen. Hier gab es einen Raum, in dem der Elferrat geschminkt wurde und die Kappen angepasst bekam. Ich zog mich um und derweil traf auch der Zeremonienmeister ein, der vergebens in der Mehlthau auf mich gewartet hatte.

Die Eisenbahner hatten für den Fasching eigens einen Zug organsiert, der aus einer Dampflok und einem prächtig geschmücktem Wagen bestand. In diesem Zug fuhren das Prinzenpaar, der Elferrat, die Garde und Gardesoldaten bis zur Baumwollfabrik (später Vowetex) in der Markneukirchner Straße. Damals verlief ein Gleis noch direkt über die Straße bis zur Fabrik bzw. bis vor die Eisenbahnbrücke. Hier wurden wir von Menschenmassen (viele kostümiert) und von einer vierspännigen Kutsche erwartet.

Die Kutsche und die Pferde gehörten einem Mann, der „Spitzig“ gerufen wurde und am Kirchplatz wohnte (Fritz Spitzig). Nach einer Ansprache des Faschingsprinzen stiegen wir in die Kutsche (mit den Gardemädchen als Seitenmitfahrerinnen), dann setzte sich der Zug in Bewegung.

Hinter der Kutsche liefen der Elferrat und die Musikkapelle sowie die Gardesoldaten. Es ging über die Elsterbrücke, die Elsterstraße und die Bürgermeister-Todt-Straße auf den Markt. Massen von Schaulustigen säumten die Straßen, überall hingen große Plakate. Jedes Fleischergeschäft auf der Strecke wurde gestürmt, die Fleischer mussten sich freikaufen. Mir knurrte mittlerweile auch der Magen, doch von den fetten polnischen Würsten bekam ich leider nichts ab.

 

Auf dem Markt angekommen wurde das Rathaus gestürmt und wir alle wurden vom Bürgermeister (Erich Schneider) begrüßt. Prinzenpaar, Elferrat und Garde vereinnahmten den Ratssaal. Es folgte eine Versammlung, in der der Bürgermeister eine Ansprache bekam. An Details kann ich mich leider nicht mehr erinnern.



Abends bildete ein großer Faschingsball den krönenden Abschluss. Die Turnhalle war so voll, dass man fast nicht tanzen konnte.
So viele Menschen in den Adorfer Straßen wie an diesem Tag habe ich in Adorf später nicht mehr gesehen, nicht einmal zum 1. Mai.

2012, Annelies Kowanda (damals 80 Jahre, verstorben im Dezember 2014)

Weitere Bilder:

Elferrat 1956 von links: Hans Flauger, Albin Tomsch, Karl Hering, Herbert Langer, Max Hendel, Eduard Kowanda, Herbert Gebler, Fritz Kropp ("Scherenschleifer"), Horst Stengel, Max Würker, Martin Kunz  Von den Männern des Elferrates lebt heute leider keiner mehr.

Zugschaffner war Anton Roth (r), dessen Frau Edith Gardemädchen war (nächstes Bild links).

Elferrat hinter der Kutsche auf der Elsterbrücke

Elferrat im Ratssaal von links:
Max Hendel, Hans Flauger, Eduard Kowanda, Herbert Gebler, Fritz Kropp
hinten: Richard Lederer, Hans Maul, ?