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Rudolf Kämnitz (1845 bis 1913) - 40 Jahre Bürgermeister der Stadt Adorf

Der Bürgermeister Rudolf Kämnitz ist ein Mann der Superlative: 40 Jahre, länger als jedes andere Stadtoberhaupt in der Geschichte Adorfs, stand er an der Spitze der Verwaltung. Im Jahr 2013 jährte sich sein Todestag zum 100. Mal.

Die Entwicklung der Stadt in diesen Jahren 1873 bis 1913 war in baulicher und wirtschaftlicher Hinsicht immens. Und doch ist bis heute in den gedruckten Quellen kaum etwas über Kämnitz zu erfahren. Eine Recherche im Kreisarchiv Schloss Voigtsberg, aus Anlass des 100. Todestags von Kämnitz am 7. Juni 1913 vorgenommen, kann zumindest einige der vielen offenen Fragen beantworten.

Geboren wurde Otto Rudolf Kämnitz am 6. Januar 1845 in Penig. Über sein Elternhaus ist bislang nichts bekannt. Nach dem Schulbesuch begann er eine juristische Ausbildung. In seinem Lebenslauf 1873 schrieb Kämnitz, dass er im Dezember 1869 in der Expedition eines Dr. Loh in Leipzig sowie am Königlichen Gerichtsamt Leipzig als Assistent wirkte. Seit 1. Oktober 1870 war Kämnitz Ratsbeamter beim Stadtrat in Chemnitz. Gut zwei Jahre später gab in Adorf der Bürgermeister Hitzschold sein Amt freiwillig auf. Die Bemühungen der Stadt, einen Nachfolger zu finden, gestalteten sich schwierig: Erst wurden 800 Taler Besoldung geboten, später 900. Die Wiederbesetzung des Amtes zog sich hin. Am 19. Februar 1873 schrieb Kämnitz an den Stadtrat, dass er noch nicht wisse, ob er sich dafür bewerbe. Acht Tage später war die Entscheidung gefallen: Am 27. Februar ging die Bewerbung aus Chemnitz ein. Schon wenige Tage später, am 3. März, entschied der Stadtrat, dass der Ratsbeamte Kämnitz aus Chemnitz, der Gerichtsamtmann Groh aus Geithain und der Ratsbeamte Hünefeld aus Plauen in die engere Wahl kommen. Die eigentliche Wahl am 5. März durch die Stadtverordneten brachte ein klares Ergebnis: Alle Stimmen entfielen auf Kämnitz.

Anfang Mai 1873 trat er sein Amt an. Auf den prägenden Einfluss von Kämnitz in den vier Jahrzehnten seiner Tätigkeit in Adorf ist schon mehrfach verwiesen worden. Der Anstoß für den Bau des Elektrizitätswerks am Sand und des Stadtkrankenhauses am Remtengrüner Weg (1891 eingeweiht) sind dabei ebenso zu nennen wie die Ansiedlung der Teppichfabrik und der Baumwollspinnerei, der Bau des Rathauses 1896, der Bahnstrecke Adorf-Roßbach oder der Wiederaufbau der Michaeliskirche nach dem Brand 1904. Bislang kaum bekannt war die private Biografie von Kämnitz. Er war verehiratet mit Sophie geborene Oberdieck, die ihm zwischen 1876 und 1886 in Adorf vier Kinder gebar. Dies waren der Sohn Rudolf Walter (19. Juli 1876), die Tochter Sophia Johanna (1. November 1878), der Sohn Rudolf Erich (14. Juni 1880) und der Sohn Leberecht Friedrich (24. August 1886).

Für die Amtstätigkeit von Kämnitz in Adorf würde es sich lohnen, den Stadtbestand Adorf im Historischen Archiv des Vogtlandkreises intensiver auszuwerten – ebenso regionale Zeitungen, auch unter dem Gesichtspunkt, ein bislang nicht überliefertes Foto von Kämnitz aufzufinden. Korrigiert werden muss die bislang geäußerte Annahme, Kämnitz sei 1913 ohne Nachfolger im Amt gestorben. Der Rücktritt des 68-Jährigen aus gesundheitlichen Gründen stand bereits fest. Am 26. März 1913 schrieb er an den Rat und die Stadtverordneten von Adorf: „So Gott will, wenn ich Anfang Mai d. J. das 40. Jahr meiner Tätigkeit in unserer lieben Stadt, meiner geliebten Heimat und der Heimat meiner Kinder, zurückgelegt habe, mein erschütterter Gesundheitsszustand mich zwingt, aus dem mir so lieb gewordenen und ganz erfüllten Berufen und dem Kreise der vertrauten Männer zu scheiden.“ Seinen Rücktritt kündigte Kämnitz für den 30. Juni 1913 an.

Verwaltung und Abgeordnete leiteten nach diesem Rücktrittsgesuch die Suche nach einem Nachfolger an. 34 Bewerber meldeten sich. In der öffentlichen Sitzung des Rats- und Stadtverordnetenkollegiums, die in Vertretung des kranken Kämnitz von dem Stadtrat und Fabrikanten Louis Nicolai geleitet wurde, kamen drei Bewerber in die engere Wahl. Gewählt wurde per Stimmzettel. Von 18 Anwesenden entfielen zehn Stimmen auf den 39-jährigen Bürgermeister von Schöneck, Martin Wimmer. Er hatte Kämnitz bereits zuvor bei Abwesenheit im Amt vertreten. Wimmer setzte sich gegen den Meeraner Bürgermeister Hans Görner (35 Jahre, sechs Stimmen) und den 32-jährigen Ratsassessor Heinrich Otto Cyprian aus Greiz durch, auf den zwei Voten entfielen. Wimmer erklärte per Schreiben am 22. Mai nach Adorf, „dass ich dieses Amth annehmen und am 15. Juli d. J. antreten werde“.

Nur drei Wochen nach der Wahl seines Nachfolgers starb Otto Rudolf Kämnitz am 7. Juni 1913 im Plauener Stadtkrankenhaus. Die Adorfer erfuhren es einen Tag später von Walter, dem ältesten Kämnitz-Sohn. Nie wieder gab es einen Bürgermeister in Adorf, der so lange amtierte.

Martin Wimmer etwa, der Nachfolger von Kämnitz, wurde ein frühes Opfer des Ersten Weltkrieges. Er fiel am 31. Oktober 1914 als Oberleutnant und Kompanieführer bei einem Sturmangriff gegen englische Schützengräben in Flandern. Paul Johannes Lange, der ab 1915 Adorfer Bürgermeister war, wechselte Ende 1919 nach Borna. Mit dem aus Weißenfels stammenden Juristen Rudimann Dönitz, der vom 2. April 1920 bis 4. Juni 1945 Stadtoberhaupt war, gab es indes wieder einen sehr lange amtierenden Chef im Adorfer Rathaus.

Was ist von Otto Rudolf Kämnitz, dem Ehrenbürger von Adorf, geblieben? Ein schwarzer Obelisk als Grabstein auf dem Friedhof, und einen Gedenkbaum zwischen Landhaus, Arnsgrün und Zeidelweidetal. Die erste Gedenk-Eiche für Kämnitz wurde von „Frevlerhand“ gefällt. Auf Anregung des Adorfer Naturschützers Dr. Johannes Walter (1922 bis 2012) gibt es eine zweite. Anlässlich des 16. Adorfer Treffens zum Jubiläum 700 Jahre Stadt Adorf wurde die Stieleiche am 5. April 1993 durch ehemalige Adorfer gepflanzt. Eine Tafel aus Theumaer Schiefer weist die Amtsdaten von Kämnitz aus.

Ein Foto von Rudolf Kämnitz ist leider nicht bekannt.

Ronny Hager, 2013

Quellen:
Historisches Archiv des Vogtlandkreises, Schloss Voigtsberg, Oelsnitz/V. – Bestand Rat der Stadt Adorf
Akten des Stadtrates zu Adorf Nr. 573, die Wiederbesetzung der durch Abgang des Bürgermeisters Hitzschold erledigten Bürgermeisterstelle betreffend 1872 bis 1913.
Akten des Stadtrates zu Adorf Nr. 1720, die Bürgermeister betreffend 1913 – 1947.
Geburtsregister Standesamt Adorf 1876 – 1903.

Fotos: Ronny Hager, Archiv Stadt Adorf