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Historische Bürgerschule von Adorf

von Peter Jacob

Das Gebäude der heutigen Zentralschule in der Lessingstraße ist historisch wertvoller, als vielen bewusst ist. Eröffnet am 1. Oktober 1901 war dieses Schulgebäude eines der modernsten Bauten weit und breit und fand sogar seinen Platz in der deutschlandweit erscheinenden Baugewerks-Zeitung Nr. 27 vom 2. April 1902.

Der rechte Anbau wurde nie vollendet, was aber kaum - wie oft behauptet - mit dem 1. Weltkrieg in Verbindung gebracht werden kann. Vielmehr waren es wohl gut durchdachte Gedanken, bei Bedarf den Bau jederzeit vergrößern zu können. Diese kluge Weitsicht gab es in den 1990ern im Rathaus leider nicht mehr: der fast 100 Jahre freigehaltene Bauplatz (zwischenzeitlich als Schulgarten genutzt) wurde mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut.

In der folgenden Abschrift des Artikels aus dem Jahr 1902 wurde die damalige Rechtschreibung beibehalten.

                                               Die Bürgerschule in Adorf i.V.

                                     Architekt: Baumeister A. L. Friedrich in Adorf

Das nachstehend dargestellte Schulgebäude, das Ergebniß eines Wettbewerbs im Jahre 1899 und mit dem II. Preis ausgezeichnet, ist vom Baumeister A.L.Friedrich in Adorf entworfen. Nachdem die städtischen Kollegien ihre Genehmigung zur Ausführung dieses Baues ertheilt, wurde im Januar 1900 der Unterzeichnete beauftragt, die Ausarbeitung des Projekts vorzunehmen.

Die Ausführung erstreckte sich vorläufig auf den Mittelbau und den linken Seitenflügel und wurde hierzu im Frühjahr 1900 der Grundstein gelegt. Die Arbeiten wurden derart gefördert, daß vor Eintritt des Winters die Eindeckung des Daches noch erfolgte und am 1. Oktober v.Js. die Schule zu Benutzung übernommen werden konnte.

Im Westen ist das Gebäude bis auf 8 m Entfernung an die neue Bismarckstraße [heute Lessingstraße] gestellt und erhält von da aus den Hauptzugang. Nach Osten liegt das Terrain ca. 5 m tiefer, erstreckt sich auf ca. 40 m Breite in seiner ganzen Länge nach dem Elsterthale zu an die Hauptstraße nach Bad Elster und erhält, mit Baumpflanzungen umgeben, die Spielplätze und Turnplatz. Das Gebäude ist an der Bismarckstraße dreigeschossig und nach der Elsterstraße viergeschossig. Das Kellergeschoß, nach Osten frei gelegen und wie die übrigen Geschosse 4,10 m hoch, ist mit direkten Eingängen versehen, enthält die Hausmannswohnung, vier Klassenzimmer für Fachschule, Heiz.-Kohlen.- und Kellerräume.



Das Erdgeschoß, mit Zugang von der Bismarckstraße, enthält 11 Klassenzimmer, Direktorzimmer mit Wartezimmer, zwei Zimmer für Lehrmittel, Aborte für Lehrer, Mädchen und Knaben.
Das I. Obergeschoß enthält 11 Klassenzimmer, Zeichensaal, zwei Zimmer für Sammlungen, Lehrer.- und Konferenzzimmer und Abortanlagen.
Das II. Obergeschoß enthält 10 Klassenzimmer, die Aula, 203 qm groß, zwei Zimmer für Lehrmittel und Abortanlagen.

Der Sockel des Gebäudes ist aus Granitbruchsteinen als Fugmauerwerk, das übrige äüßerliche Mauerwerk mit hellrothen schlesischen Verblendern und Cottaer Sandstein ausgeführt. Die Mansarde und Thurmflächen sind mit Doppelfalzziegeln und die oberen Dachflächen mit Holzzementdach abgedeckt, die Geschoßtreppen aus bayerischen Granit auf Eisenkonstruktion hergestellt, ferner fand zu sämmtlichen Zwischendecken die Dressel,sche Massivdecke Verwendung. Die Korridore, welche zugleich für die Kleiderablage eingerichtet und mit Waschvorrichtungen versehen sind, erhielten Terrazzobelag und sämtliche Zimmer kiefernen Fußboden.

Das Gebäude ist ferner mit Wasserleitung, elektrischer Lichtanlage, Zentralheizung und die Abortanlagen mit Wasserspülung versehen. Die Gesammtkosten für den bis jetzt ausgeführten Mittelbau und den linken Seitenflügel betragen 272.000 Mk.

Die Bauausführung ist in allen Theilen auf das sorgfältige geschehen und alle Arbeiten, soweit der bauliche Architekt, Stadtbaumeister Brückner, es für sich angezeigt hielt, nach gelieferten Detailzeichnungen von Baumeister Friedrich hergestellt. Die Erd.- und Maurerarbeiten sind vom Baumeister Schenk in Oelsnitz ausgeführt. Bei der Herstellung des Baues waren noch folgende Firmen betheiligt:

Herrn Christ. Schüller für die Zimmerarbeiten,
Herr Nürnberger für die Steinmetzarbeiten,
Herr Neumeister für das Falzziegeldach,
Herr Fiedler für das Holzzementdach,
die Firma Heiser in Dresden für die Zentralheizung,
Herr Strobel für die Glaserarbeiten,
Herren Riedel, Spengler und Voit für die Tischlerarbeiten,
Herr Köhler für die Klemptnerarbeiten und
Herr Spengler für die Schlosserarbeiten.


Artikel-Reinschrift: Peter Jacob
Quellenangabe: Bauwerks-Zeitung Nr.27, 2. April 1902

Baustelle der Mädchenschule, 1900/1901

Das Schulhaus wurde zunächst als Mädchenschule genutzt (die Knabenschule blieb in der "Alten Schule" am Kirchplatz). In den letzten Kriegstagen wurde das Gebäude, insbesondere das Obergeschoss, durch Beschuss nicht unerheblich beschädigt, die Aula brannte komplett aus. Zu dieser Zeit diente die Schule bereits mehrere Monate als Lager für Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Im Januar 1945 hatte die Stadtverwaltung nähere Angaben über die Unterbringung der Flüchtlinge im Schulgebäude zu machen:

Ursprünglich hatte das Schulgebäude - wie viele Bürgerhäuser damals - schmuckvolle Dachaufbauten, die entweder gleich nach dem Krieg, sicherlich jedoch spätestens bei der Sanierung des Daches und Teilausbau des Dachgeschosses in den Jahren 1968-70 entfernt wurden. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch ein Kleinlastenaufzug, der heute noch für die Essensausgabe genutzt wird, eingebaut.

Auf diesen historischen Aufnahmen, die in den 1920er/1930er Jahren entstanden, ist die Mädchenschule in originalem Bauzustand zu sehen.

Rechts neben der Kirche die alte Schule, links die neue Mädchenschule (Foto: Ehrhard Günther, 1938):

oben: Luftbild 1935 (mittig die Schule); unten: Adorf fotografiert von der Hinteren Karlsgasse, 09.08.1928, bzw. Jugelsburg, undatiert (Fotos: Ehrhard Günther)

Das Gebäude wurde in den Jahren 2009 bis 2011 generalsaniert und wird weiter vollumfänglich als Schule genutzt. Im Rahmen der Sanierung wurde die alten Schulturnhalle durch eine moderne Zwei-Feld-Sporthalle ersetzt, zusätzlich wurden vier weitere Klassenräume geschaffen. Adorf ist damit als Schulstandort für die Zukunft gesichert und gerüstet.

Historische Fotos aus dem Familiennachlass Günther, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, FNL 12689, Findbuch 045